Mittwoch, 6. Februar 2013

Das Corbi





Ich habe ja bereits erzählt, dass ich in Berlin Charlottenburg geboren wurde. Dort  habe ich auch meine ersten 10 Lebensjahre verbracht.
Meine Erinnerungen an diese Zeit sind nicht rein meine eigenen, es gibt viele Geschichten, die mir von meinen Geschwistern erzählt wurden.
Und diese Geschichten spielten viel an einem bestimmten Ort, dem Corbusierhaus .

Dieses Haus steht da wie eine Festung auf einer Anhöhe. Ganz allein alles überragend mitten im Grün. Allein diese Tatsache macht diese Faszination Corbi.

Hierzu kann ich euch nur ein kleines bisschen  Historisches erzählen, aber wer sich dafür wirklich interessiert, kann es bestimmt irgendwo nachlesen.

Soviel mir darüber erzählt wurde, ist dieses Haus von 1956 bis 1958 in der Nähe des Berliner Olympiastadions gebaut. Ich erinnere mich, dass in der Bilderschublade meiner Eltern ein paar Bilder der Bauphase vorhanden waren, und es wurde mir erzählt, dass der Einzug bereits geplant war, bevor das Haus fertig war. Demnach müssen sie etwa 1958 dort eingezogen sein.
Dass dieses Haus riesig ist, kann sich wohl jeder vorstellen, aber genau gesagt, beinhaltet es 530 Wohnungen auf 17 Geschossen, die vom Aufzug her aber über nur 10 ‚Straßen‘ zugänglich sind.
Wir wohnten damals in der 8. Straße. Die einzige Wohnung, die von der Größe her etwa so geblieben ist, wie le Corbusier es geplant hatte.
Mir wurde erzählt, dass wir wohl innerhalb des Hauses 2 x umgezogen wären, da die Familie ja immer größer wurde. Irgendwann waren wir dann eben in der 8. Straße in Wohnungsnummer 839, direkt neben der Nottreppe.

Diese Wohnung war einfach perfekt für unsere große Familie.
Der Eingangsbereich winzig. Ein klitzekleiner Flur in dem sich maximal 2 Leute aufhalten konnten und eine Abstellmöglichkeit unter der Treppe.
Diese sogenannte Schleuse war aber unbedingt notwendig, denn egal zu welcher Jahreszeit, öffnete man die Wohnungstür zum Hausgang und gleichzeitig war irgendwo in der Wohnung ein Fenster offen (was eigentlich fast immer der Fall war) gab es einen kräftigen Luftzug der oftmals die Türen knallen ließ.
Nach der Schleuse ging es linker Hand direkt in ein kleines Küchenkabuff, welches vom Esszimmer einfach  durch Holzwände abgetrennt wurde. Ich bewundere heute noch, wie meine Mutter es immer wieder schaffte, in dieser Küche zu fuhrwerken und ganze köstliche Mahle zur Raubtierfütterung kreierte. In dieser Küche waren zwei zu viel und einer oftmals zu wenig.
Das Esszimmer hingegen beherbergte den entsprechend großen Familientisch und ein großes Sideboard in dem meine Mutter das gute Porzellan aufbewahrte (und diese Bilderschublade)
Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der an der großen Fensterfront dieses Raumes eine Couch stand und an der Wand unser Farbfernseher. (bevor er dann das Privileg erhielt in das Wohnzimmer eingelassen zu werden) Dieser Raum hatte den ersten der 4 Balkone in diesem Haus. Von diesem Balkon konnte man auf den Parkplatz vor dem Haus schauen, auf die andere Seite der Reichssportfeldstraße in die Siedlung der Britischen Soldaten und nach Osten. Blickte man nach rechts, so konnte man das Olympiastadion sehen, auf der rechten Seite den Teufelsberg mit der Amerikanischen Abhöranlage (ist ja nun weithin bekannt, damals rätselte man noch) und  den danebenliegenden Trümmerberg.

Vom Esszimmer gelangte man rechts in das Wohnzimmer, welches ebenfalls über einen Balkon verfügte. In diesem Zimmer gab es eigentlich nur eine Schrankwand, eine Couchgarnitur und ein Schrankradio. Eines von der tollen Sorte, an dem man die Knöpfe noch drehen musste um den Sender zu finden. Gerne haben wir sonntags den Krimis gelauscht. Später wurde das ganze natürlich moderner, mein Vater nutzte seine berufliche Stellung und sorgte für jede erdenkliche Technik. Sehr viel auch für maschinelle Entlastung im Haushalt.
Oh, und ein Klavier durfte einfach nicht fehlen. Das zog später um, und wurde durch einen Flügel ersetzt.
Dieser Raum verfügte ebenfalls über einen Balkon.

Vom Esszimmer führte eine Treppe hinauf zu Bad/Toilette, Kinderzimmern und Schlafzimmer.

Ein riesiger Flur, der rundherum mit  Schränken bestückt war (und genau genommen über dem Hausflur lag) , war der eigentlich größte Raum in der Wohnung. Es gingen direkt auf die andere Seite die 4 Kinderzimmer.
Diese waren genau genommen 2 Zimmer, die mit einer Wand abgetrennt waren. Zwei lange Schläuche, die vor einer Fensterfront endeten. Dieser Teil der Wand konnte durch eine Zieharmonikawand geöffnet werden um etwas mehr Platz zu schaffen. Brauchten wir zusätzlichen Platz zum Spielen, schoben wir die Wand auf . Brauchten meine Brüder Privatsphäre, schoben sie die Wand zu.
Die Zimmer der ‚Kleinen‘ waren rechts, die der 3 Großen links. Die Großen hatten ihr eigenes kleines Bad, mit Toilette und Dusche. Beide verfügten über einen Balkon in Richtung Westen. Von dort aus blickte man auf die Stadt. Der Berliner Funkturm daneben das, damals SFB Haus, heute RBB. Der I-Punkt und bei schönem Wetter auch den Fernsehturm vom Alexanderplatz. Blickte man nach unten so lag ein Meer von Grün vor einem. Der Kolbepark an dem unser Schulweg vorbeiführte.
Die eigentliche Toilette und das Bad waren im Flur rechts, klein und ohne Fenster. Eigentlich zu klein für eine so große Familie, aber wir wurden uns immer einig, wer zuerst dran war.

Direkt über dem Esszimmer war das Elterliche Schlafzimmer, dieses beherbergte nicht nur das Ehebett und die Kleiderschränke (was sich im Übrigen heute komplett in meinem Besitz befindet) sondern auch meiner Mutter ihre kostbare Nähmaschiene und meines Vaters Schreibtisch (auf welchem er grundsätzlich mitgebrachte Arbeit verrichtete)

Diese Zeit in dieser Wohnung war eine ganz tolle Zeit.
Eine Großfamilie, die viel Lärm machen konnte, auch mal ganz heftig stritt, die aber auch recht liebevoll miteinander umgehen konnte.


Ich werde euch noch ein paar Geschichten aus dieser Zeit erzählen aber eines nach dem anderen.


Veronika

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