Freitag, 1. November 2013

Ersatz



Ersatz

Ich ernähre mich nun seit über einem Jahr strikt LowCarb. Für alle, die meinen, es handle sich bei dieser Ernährungsform um eine neumodische Diät, die aus den USA zu uns herübergeschwappt ist, möchte ich ein wenig darüber erzählen.

Im Frühjahr 2012 erhielt ich die erschreckende Diagnose: Diabetes Typ 2.
Ich, ein Mensch, der Zeit seines Lebens nie massiv übergewichtig war, nicht mal recht pummelig oder so, und auch eigentlich nie sonderlich viel Fastfood, süßes oder gar fettreiches Essen zu sich genommen hat.
Ganz im Gegenteil, denn bevor ich 2001 eine Therapie wegen eines Überlastungssyndroms begann, stellte sich recht schnell heraus, dass ich massiv unter einer Essstörung litt.
Jahrzehntelang zwang ich mich dazu dünn zu sein und hab mir, welch eine Ironie, den Stoffwechsel zerschossen. Ohne jemals wirklich ‚dick‘ gewesen zu sein, erkrankte ich an der modernen Fettsuchtkrankheit Diabetes Typ 2 …
Oh, selbst nach 4 Kindern war ich noch nicht fett. Sicher sagte mir mein Spiegel etwas anderes, aber das sagte er ja auch nur mir.
Die Quittung für mein abnormes Essverhalten sollte nun in einem echt hammerharten Diätwahnsinn enden?

Wer sich nur einmal etwas mit einer Diabetikerdiät auseinandergesetzt hat weiß wovon ich rede. Es ist grausam von einem Menschen zu verlangen sich mit einer hohlen Hand voll Nudeln zufrieden zu geben, wenn er doch den ganzen Topf haben könnte… genau wie die ‚kleine‘ Kartoffel oder der Esslöffel Reis.
Ja, Knäckebrot und Vollkornbrot sind erlaubt, aber Vollfettkäse und Fleisch eben nicht. Im höchsten Fall Huhn ohne Haut und Putenbrust… weil fettarm, aber um ehrlich zu sein auch geschmacklos. Man könnte ja durch eine leckere Soße aufpeppen, aber dazu braucht man ja Sahne und die ist ja überhaupt nicht angesagt.
Nun ja, ein Diabetiker muss ja nun auch noch darauf aufpassen, dass es nicht zu fett ist, weil er ja seltsamerweise zusätzlich meist unter einer nicht alkoholbedingten Fettleber leidet… (oder zumindest den Vorstufen dazu)
Fettarmer Quark, fettarme Milch (da geht doch gleich Wasser), fettarmer Joghurt.
Viel Salat… natürlich, es muss ja füllen…  und bloß keine  Nüsse oder so, die sind ja auch fett. Es blieb nicht mehr viel, ständiger Hunger und abgrundtiefe Trauer, das war mein Leben, bevor ich auf einen Artikel stieß, der mich umdenken ließ.

Ein Erfahrungsbericht eines Typ 1 Diabetikers, der in den USA erfolgreich therapiert wurde, und zwar mit LowCarb Ernährung

http://www.diabetes-low-carb.org/articles/in-german/translations/12-die-kohlenhydratarme-und-insulinreduzierte-ernaehrung--persoenliche-erfahrungen-eines-typ-1-diabetikers.html

Ich fing daraufhin an, mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und beschloss letztendlich das Ganze einfach auszuprobieren.

Da ich aber nicht wirklich über meine Krankheit und die Auswirkungen auf mein Leben schreiben möchte, so sein nur noch kurz angemerkt. Seit Ende Mai habe ich meine Blutzuckerwerte unter Kontrolle und bei einem konstanten HbA1c von 5,7 muss ich keine Medikamente mehr zu mir nehmen.
Dies alles verdanke ich meiner LowCarb Ernährung.

Genau hierüber möchte ich ein bisschen erzählen.
Viele Menschen glauben, dass man bei einer kohlehydratarmen Ernährung auf so vieles verzichten müsse. Weit gefehlt, denn jeder, der sich nur mal ein wenig damit beschäftigt stellt schnell fest, dass es eine Vielfalt an Lebensmitteln gibt, die eben nicht Unmengen an Kohlehydrate beinhalten. Es muss nicht Brot, Nudel oder Reis sein. Da gibt es viele Gemüsesorten, die sich vielfältig und unterschiedlich zubereiten lassen, genau wie Nüsse und Saaten, aber vor allem Fleisch und Wurstwaren, letztere sollten allerdings nicht allzu viele Zutaten in der Zutatenliste haben.
Die vielfältigen Käsesorten (die in der Diabetikerdiät ja striktenst untersagt sind, da zu fett) sollte man doch bitte nicht aus dem Auge verlieren. Dann all die Nüsse und Saaten, die sich hervorragend rösten, mahlen und kombinieren lassen. Alles lässt sich hervorragend in die LowCarb Küche einbauen.
Natürlich ist es für Menschen, die sich gerne eine TK-Pizza in den Ofen geschoben haben, ne Dose aufgemacht haben, oder in einem Fastfoodrestaurant mal schnell nen Burger verspeisten eine mächtige Umstellung auf einmal selbst zu kochen. Auch ist es nicht ganz so einfach, all die guten Rezepte umzusetzen, wenn man nicht so den Draht zur Eigenproduktion hat, aber da rate ich immer, langsam und mit einfachen Rezepten anzufangen und sich nach und nach zu steigern. Selbst gemacht schmeckt nicht nur gut, sondern fördert nach und nach auch enorm das Selbstbewusstsein …
Nun, ein LowCarber lässt hald neben den eh schon unerwünschten künstlichen und/oder genmanipulierten Zusatzstoffen auch noch die Kohlehydrate weg. Genau genommen nicht alle, aber im Besonderen die, die aus Getreide oder Stärke resultieren.
Ein LowCarber richtet sich auch nicht nach dem GI (Glykämischen Index), so wie es gerade in der Diabetikertherapie empfohlen wird, sondern eher nach dem GL (der Glykemischen Last)
Eine Ausführung hierzu würde ein komplettes eigenes Thema füllen, deswegen nur ganz kurz:


Der Glykämische Index von gekochten Möhren liegt bei etwa 70. Da Möhren eine geringe Kohlenhydratdichte besitzen, müssen rund 700 Gramm Möhren eingenommen werden, um 50 g Kohlenhydrate zuzuführen.
Anders bei Nahrungsmitteln mit hoher Kohlenhydratdichte. Baguettebrot hat ebenfalls einen Glykämischen Index von 70. 100 Gramm Baguettebrot liefern aber 48 Gramm Kohlenhydrate. Es genügt daher die Einnahme von 104 g Baguettebrot, um dieselbe Menge von 50 g Kohlenhydraten zuzuführen.

Ausgehend von einem Glykämischen Index von 70 lautet die rechnerisch korrekte Aussage:
„Die Einnahme von 104 g Baguettebrot führt zu derselben Blutzuckerreaktion wie die Einnahme von 700 g gekochten Möhren.“

Genau deswegen ist der Glykämische Index zwar nicht ganz irrelevant, sollte aber nie alleine für sich stehen.

Ausschlaggebend wie sehr sich ein Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel auswirkt ist die Glykämische Last. An dem Beispiel der Karotten und des Baguettebrotes lässt sich das hervorragend erklären, weil ja beide den gleichen GI haben.
Die Glykämische Last der Karotte errechnet sich aus dem GI x Kohlehydratedichte.
In der Formel sieht das etwa so aus
GI von 71 x (7,5g Kohlehydrate : 100g) ≈ einer Glykämischen Last von 5,3
Bei Baguettebrot würde das dann so aussehen
GI von 70 x (48g Kohlehydrate : 100g) ≈ einer Glykämischen Last von 33,6

Erst an dieser Glykämischen Last lässt sich erkennen, wie stark der Blutzuckerspiegel von dem jeweiligen Lebensmittel beeinflusst wird.

Für mich ist das mittlerweile Alltag, aber wenn man sich nur die beiden Werte anschaut, so wird einem schon bewusst, dass ich fast 6,4 mal so viel Karotten essen kann um die gleiche Blutzuckerreaktion hervorzurufen wie mit einer dicken Scheibe Baguettebrot.
Und sind wir doch mal ehrlich, bei wem bleibt es denn bei einer Scheibe Baguette?


Und jetzt bin ich endlich bei dem Hauptthema angelangt, dem Ersatz.
Sicher ist es gerade am Anfang nicht einfach sich komplett ohne Brot, Nudeln, Reis und Kartoffeln zu ernähren. Ist oder waren diese Lebensmittel nicht täglich auf dem Speiseplan und wenn ja, wie kann ich sie ersetzen?
Das ist jedermanns erste Frage, sobald der- oder diejenige beginnt sich kohlehydratearm zu ernähren. Die Meisten suchen natürlich als erstes nach Ersatz. Da steht bei geübten Köchinnen sofort das nachbasteln von Brot und Brötchen an. Kuchen, Muffins und Kekse… unbedingt.
Auf jeden Fall eine alternative Süße zu Zucker…. für alle, die nicht durch Diabetes beeinträchtigt sind, bietet sich natürlich Honig an. Für alle anderen Süßstoff…hmm da gibt es aber auch reichlich, Aspartam, Saccarin und seit neuestem Stevia und Xylit. Während Aspartam und Saccarin komplett künstlich hergestellte Süßungsmittel sind, und schwerstens im Verdacht stehen krebserregend zu sein, ist Stevia ein Extrakt aus der gleichnamigen Pflanze und Xylit ein Zuckeralkohol gewonnen aus Birkenrinde.
Da für mich Stevia einen zu extremen Eigengeschmack (nach Lakritz) hat, habe ich mich für Xylit entschieden.
Anfangs natürlich etwas häufiger, mittlerweile nur noch, wenn mich ein absolutes Verlangen nach ‚süß‘ treibt und dann auch nur einen Teelöffel im Kaffeehumpen oder im Kuchen verbacken.

Nun geht es aber nicht nur um die Süße sondern auch um das herzhafte Brot. Da gebe ich zu, dass auch ich gerne Brot und Brötchen gegessen habe. Als Franke ganz besonders die Laugensemmeln. Das war für mich eigentlich der größte Verzicht und genau deswegen hab ich alles Mögliche versucht, um mir diese Dinge nachzubasteln.

Nun, da muss man nicht lange suchen, denn im Netz existieren an die hunderte von Nussbroten, Eiweißbroten usw. alles ohne Mehl. Ich hab zwar noch nicht mal zehn verschiedene probiert, aber musste feststellen, dass  nicht eines meinen Anspruch an ein Brot entsprach.

Ich habe mittlerweile aufgehört nach einem Ersatz dafür zu suchen und gleichermaßen habe ich angefangen ganz neue Dinge zu entwerfen oder vorhandene Kreationen einfach meinen Wünschen anzupassen.

Ein Beispiel ist das ursprüngliche Oopsierezept.
Oopsies, im Grunde total simpel, aus Eigelb, Salz und Frischkäse mit untergehobenem Eischnee aufs Blech geklekst, gebacken, als Brötchenersatz.
Geschmacklich keineswegs mit einem Brötchen oder einem Weißbrot zu vergleichen, wenn es sich dennoch recht gut für Burger oder zu Sandwiches eignet.
Das Ei dominiert und die Konsistenz erinnert einen an Zuckerwatte nur nicht süß.

So habe ich experimentiert und dem Rezept ein wenig hinzugefügt.
Das reguläre Oopsierezept enthält:


4 Eier

100gr. Frischkäse
Weinsteinbackpulver
Salz

allein das Grundrezept lässt schon einen dominierenden Eiergeschmack vermuten.

Zubereitung:

Eier trennen, Eiweiß steif schlagen
Eigelb mit Frischkäse Salz und Backpulver mixen bis alles schön cremig ist
Steifes Eiweiß der Eigelb-Frischkäsemasse vorsichtig unterheben.
Häufchenweise auf ein Backblech verteilen und bei Umluft 150 °C etwa 30 min backen.

Das Endprodukt lässt sich zwar als eine Art Toastbrotersatz vielfältig verwenden, aber hatte für mich doch einen Tick zu viel an Eigeschmack.

Ich kam dann auf die Idee und setzte dem Grundrezept etwas zu.
Eine gute Handvoll Sonnenblumenkerne in der Küchenmaschine kleingemahlen, und zusätzlich ein paar ganze obenauf wie hier:




Oder aber das gleiche mit Kürbiskernen:




Oder Sesam




letztlich experimentierte ich mit den fertigen Oopsies und plazierte sie in meinem Sandwichmaker… mit Schinken und Käse, super lecker







Fazit für mich
ich habe keinen Ersatz für mein Toastbrot
ich habe etwas ganz anderes kreiert und es schmeckt total lecker ;)

Noch einen kurzen Hinweis zum Schluss:
Wenn ihr dann mal wieder auswärts essen geht, und doch allzu gerne einen Burger essen möchtet, dann seid so frech und bestellt eben ohne Brot…
Ich sage immer, dass ich es nicht vertrage. Das wirkt und dann bekommt man den Burger mit Salat aber ohne Brötchen.
Und letztlich ist das mit dem ‚nicht vertragen‘ ja auch nicht gelogen
Liebe Grüße
Vero